Entwicklungen bei Atomkraft schlagen auf den Uranbergbau durch
Die Zukunft des Uranbergbaus in Afrika – und weltweit – hängt von der Entwicklung der Atomindustrie weltweit ab – und diese steckt seit Jahren in der Krise.
Blick zurück: Die in den vergangenen 12 Jahren angekündigten Uranbergbauvorhaben in Afrika wurden entweder gar nicht erst begonnen (z.B. Bahi in Tanzania), sind in Anfangsphase zum Erliegen gekommen (z.B. Imouraren in Niger, Mkuju River in Tanzania, Bakouma in der Zentralafrikanischen Republik) oder die Bergwerke wurden kurz nach Beginn eingemottet (z.B. Langer Heinrich und Trekkopje in Namibia, Kayelekera in Malawi).
Nur das chinesische Staatsunternehmen CNNC konnte das Bergwerk Husab in Namibia erfolgreich starten und in Betrieb halten. 2019 kaufte dann CNNC das älteste afrikanische Uranbergwerk, Rössing, dem englische Konzern Rio Tinto ab.
Damit sind die laufenden Uranbergwerke in Afrika in chinesischer (Husab, Rössing / Namibia) und französischer (Arlit / Niger) Hand. Die südafrikanische Uranproduktion ist minimal.
Nach der Katastrophe von Fukushima waren alle japanischen AKWs (37) vom Netz gegangen (nur neun davon haben den Betrieb wieder aufgenommen), bald darauf acht deutsche AKWs, acht weitere deutsche AKWs werden bis 2022 abgeschaltet werden.vom Netz gehen.
Innerhalb kürzester Zeit waren rund zehn Prozent der weltweit vorhandenen AKWs außer Betrieb.
Damit ging die Nachfrage nach Uran erheblich zurück. Auch bestehende Lieferverträge wankten – so kündigte TEPCO, die japanische Betreiberfirma von Fukushima, einen langfristigen Uranliefervertrag mit dem kanadischen Uranproduzenten CAMECO.
Im Jahr 2018 mottete dann CAMECO sein McArthur River Uranbergwerk in Kanada ein, und die kasachische Kazatomprom kürzte ihre Produktion um 20 Prozent. Es besteht weiterhin ein Überangebot an Uran. Dennoch hören Investorenwebsiten nicht auf, mit einem zukünftigen Uran-Boom zu werben – zu dem es jedoch nicht kommt. Der Uranpreis bleibt niedrig.
Die immer wieder beschworene Renaissance der Atomkraft tritt nicht ein. Der Neubau von Atomkraftwerken in (Zentral-)Europa und Nordamerika ist praktisch zum Erliegen gekommen. Die wenigen Ausnahmen – in Europa z.B. Flamanville in Frankreich und Olkiluoto in Finnland – werden erheblich teurer als geplant und hinken Jahre hinter der geplanten Fertigstellung her.
Die Mär von der klimafreundlichen Atomenergie, grünem Uran und nachhaltigem Bergbau
Die Atomkraftbetreiber versuchen weiter, die erhoffte Renaissance herbeizuführen. Dabei kommen unterschiedliche Strategien zum Einsatz.
Einerseits setzen sie auf das – schon hinreichend widerlegte – Narrativ von Atomenergie als Klimaretterin, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene und international, auch während der COP-Klimaverhandlungen.
Dabei wird nicht nur Atomkraft als „sauber“, „grün bzw. „nachhaltig“ dargestellt, sondern auch der Uranbergbau. Atomtechnologie soll dadurch nicht nur zukunftsfähig erscheinen, sondern der Atomindustrie auch Zugang zu Krediten ermöglichen, die für die Eindämmung des Klimawandels bzw. für eine Wende in der Energiepolitik vorgesehen sind.
Schon 2012 bemühten sich die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und die Entwicklungsagentur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen mit dem namibischen Bergbauministerium darum, dass „Uran aus der Namib als ‚grünes‘ Produkt betrachtet wird“.
Kriterien sollten nicht umweltfreundlicherer Abbau, sondern an erster Stelle die Berichterstattung in den Medien sein: Wenn weniger als zehn Prozent negative Medienberichte erfolgten, und weniger als zehn Prozent unverantwortliches Verhalten der Bergbau-Unternehmen offenbar würden, dann könne Uran aus Namibia als „grünes Produkt“ betrachtet werden, (SEMP 2012: Seite 89).
Bemühungen, Uranbergbau als „grün“ und zusammen mit Atomkraft beide als „nachhaltig“ zu etablieren, sind auch in der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN Economic Commission for Europe – UNECE), festzustellen, die ansonsten stark im Bereich der Erneuerbaren Energien aktiv ist.
Über den Weg mehrerer Studien (UNECE Energy Series Nr. 46, 49, 55) wird versucht, Uran und dessen Abbau (per in-situ leaching) als „nachhaltig“ einzustufen.
Die aktuellste Publikation, UN ECE Energy Nr 57 mit dem Titel „Redesigning the Uranium Resource Pathway” versteigt sich gar zu der Aussage, dass es z.B. bei einer Wiedereingliederung des Areals des geplanten Mkuju River Uranprojekts in Tanzania nach dem Abbau „schwer oder unmöglich wäre, festzustellen, dass dort jemals ein Bergwerk gewesen sei“ (UNECE Energy Series No. 57, p. 65).
Auf diesem Weg sollen – wenn es nach der Atomindustrie geht – Uranbergbau und Atomkraft als kompatibel mit den ‚Zielen für eine nachhaltige Entwicklung‘ (Sustainable Development Goals – SDG) anerkannt werden, in diesem Fall betreffs SDG 7 – Zugang zu bezahlbarer und sauberer Energie.
Damit würde auch der Weg zu entsprechenden Geldern geebnet (UNECE Energy Series No. 57)
Die IAEA ist ebenfalls aktiv – und wirbt mit „atoms4climate“, so die URL, für Atomkraft als Klimaretterin: Im Oktober 2019 lud sie zu einer “International Conference on Climate Change and the Role of Nuclear Power” nach Wien ein, um Regierungen dafür zu gewinnen, Atomkraft eine Rolle bei der “De-Karbonisierung” einzuräumen. Wohl wissend, dass Atomkraft im freien Wettbewerb auf dem Energiemarkt wenig Chancen hat, sollen auf politischer Ebene Entscheidungen pro Atomkraft gefällt werden.
Ein anderer Versuch, der Atomkraft eine Zukunft zu sichern, ist NICE: der Atomkraft nahestehende Staaten, USA, Canada und Japan, gründeten 2018 NICE – Nuclear Innovation Clean Energy um “Atomkraft als CO-2-freie Energie weltweit zu promoten“. Durch ‚Nukleare Innovation‘ – sprich: neue Reaktortypen und -baulinien – soll in der Zukunft ‚saubere Energie‘ produziert werden.
Weitere Länder (Argentinien, Polen, Rumänien, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate und England) schlossen sich NICE an.
Wieweit diese Zukunft entfernt ist, bleibt im Dunklen – denn keiner der oft zitierten „neuen“ Reaktortypen ist einsatzfähig (siehe Nachlese der Gegenkonferenz zur IAEA-Klima-Konferenz „Propaganda versus reality of New Generation of Reactors (Gen IV)“ und „Small Modular Reactors“)
Zwischenzeitlich ist NICE Future dem “Clean Energy Ministerial” angegliedert, einer zwischenstaatlichen Organisation für “saubere Energie” – und hat es damit geschafft, Atomkraft als “saubere Energie” auf ministerieller Ebene (wieder) in die Diskussion zu bringen. Welchen Stellenwert dies hat, bleibt abzuwarten.
Atomkraft in der Europäischen Union – oder doch nicht ?
Dabei tragen die Bemühungen der Lobbyarbeit zu Teilen Früchte. Ende 2019 konnte innerhalb der Europäischen Union nur schwerlich eine Einigung erzielt werden, welche Arten der Energieerzeugung EU-Finanzhilfen bekommen können. Letzten Endes verständigten sich Ende 2019 Vertreter*innen des Europäischen Parlaments und die finnische Ratspräsidentschaft auf sehr hohe Hürden, sodass Atomenergie de facto nicht als förderfähige Energie zählt.
Etwas schwieriger gestaltet sich die Situation mit der Europäischen Investitionsbank (EIB): Während bei der EIB formal Atomkraft noch zu den finanzierbaren Vorhaben gehört, hat sie seit vielen Jahren keine Atomprojekte mehr gefördert. Das wiederum missfällt Atomlobbyist*innen. Nachdem eine Technical Experts Group (TEG) nicht empfohlen hatte, Atomkraft in eine Klassifizierung („Taxonomy“) der EU für eine nachhaltige Entwicklung aufzunehmen, bemühte sich nun z.B. Foratom, die Expert*innengruppe mit den ‚richtigen‘ Informationen zur Atomenergie zu versorgen, damit diese doch noch als nachhaltig definiert wird – und damit Zugang zu Fördermitteln erhält.
Noch ist also der Kampf um Atomkraft und ihre Akzeptanz als „Klimaretterin“ in der EU nicht endgültig entschieden. Auch wenn das EU-Parlament letztendlich Nein zu Atomkraft als Teil einer nachhaltigen Entwicklung sagt, bemüht sich die Atomlobby weiterhin, über die Finanzierung für Atomkraft einen Fuß in die Tür zu bekommen.
pro-Atom-Aktivitäten auch von anderer Seite …
Auch auf anderen Ebenen sind pro-Atomkraft-Kräfte tätig Diverse Nichtregierungsorganisationen verwenden traditionell eher von der Anti-Atom-Bewegung genutzte Mittel wie Informationsstände, Kundgebungen und Flyer, sowie social media um z.B. mit catchy Videos für Atomkraft zu werben.
In Deutschland ist die NGO nuklearia eine Allianz mit in Vereinen wie dem Europäischen Institut für Klima & Energie (EIKE) organisierten Klimaleugner*innen und der AfD bzw. ihrem Umfeld eingegangen.
Die AfD lässt keine Gelegenheit aus, gegen die Energiewende zu wettern und den Weiterbetrieb von Kohle- und Atomkraftwerken zu fordern – zuletzt sogar mit Antrag im Bundestag.
Expansion nach Afrika und Australien?
Eine andere Strategie der Atomindustrie ist das Ausweichen in andere Länder bzw. Kontinente:
Während es – siehe oben – in Nordamerika und (Zentral-)Europa kaum gelingt, neue AKWs oder gar Uranbergwerke auf den Weg zu bringen, versuchen Atom-Unternehmen Regierungen auf anderen Kontinenten Atomkraft schmackhaft zu machen: Afrika und Australien.
Zwei der Staatsfirmen, die AKWs bauen – die russische Rosatom und die chinesische CNNC –, sind in afrikanischen Ländern unterwegs, geben Absichtserklärungen oder schließen (Vor-)Verträge mit Regierungen über den Bau von AKWs.
Rosatom hatte mit Südafrika schon Verträge über dem Bau mehrerer AKWs unterzeichnet, bis das Vorhaben 2017 gerichtlich gestoppt wurde, nachdem Umweltaktivist*innen mit ihren NGOs dagegen geklagt hatten.
Australien ist zwar der drittgrößte Uranproduzent der Welt, bislang werden aber keine (kommerziellen) AKWs betrieben.
2019 ließ die Regierung eine ‚Untersuchung über die Grundvoraussetzungen für Atomkraft‘ (Inquiry into the prerequisites for nuclear energy in Australia) durchführen. Energieminister Angus Taylor folgte dabei einem von NICE ventilierten Narrativ, dass Atomkraft nun mit neuen, besseren Reaktorbaulinien aufwarten könne. Dabei war die Erreichung von Klimazielen ein wesentlicher Aspekt.
Das Committee kam einerseits zu der Empfehlung, dass ein bestehendes Atomkraft-Moratorium für Reaktoren der Baulinie III+ und IV inklusive SMRs teilweise aufgehoben werden könnte, um den Verpflichtungen betr. Klimazielen nachkommen zu können. Es handelt sich jedoch um keinen Regierungsbeschluss.
Andererseits wird ein möglicher Beginn von Atomkraftnutzung frühestens in 10 – 20 Jahren gesehen. Darüber hinaus könnte zum Problem werden, AKWs zu versichern – ein Punkt der schon der US-Atomindustrie erhebliche Probleme bereitet hat.
Der Druck auf die Uran-Ressourcen bleibt
Einerseits ist Atomkraft teilweise rückläufig (vgl. dazu auch World Nuclear Industry Status Reports) und die vielbeschworene „Renaissance der Atomenergie“ ist nicht eingetreten.
Andererseits bemühen sich Atomkraft-Staaten zusammen mit Akteuren wie der IAEA, NICE Future und der Atomindustrie darum, Atomkraft als „Klimaretterin“ bzw. als „CO-2-frei“ bzw. „low carbon“ anzupreisen und Atomkraft auf anderen Kontinenten neu zu installieren.
Was bedeutet das für den Uranbergbau?
Sollte es zu einem Ausbau der Atomenergie kommen, wird auch der Druck, Uran abzubauen – und damit auf die Menschen in Gebieten mit Uranvorkommen – stark steigen. Der Bergbau wird tendenziell immer aufwändiger, da die meisten neu entdeckten Vorkommen nur eine geringe Urankonzentration aufweisen. Es muss zunehmend mehr Gestein abgebaut werden, um dieselbe Menge Uran zu gewinnen. Die Uranindustrie setzt auf in-situ leaching, was andere und nicht weniger gefährliche Probleme, vor allem Grundwasserkontamination, mit sich bringt.
Wenn der Ausbau der Atomenergie ausbleibt, werden dennoch rund 400 laufende AKWs weiterhin Uran benötigen und entsprechende Nachfrage generieren.
In den vergangenen Jahren – auch, aber nicht nur in Folge der Fukushima-Katastrophe – wurde mehr Uran gefördert als benötigt, weshalb der Uranpreis seit längerem niedrig bleibt. Betreiber und Staaten sitzen außerdem auf erheblichen Uranvorräten, die manche (z.B. japanische AKW-Betreiber) eher loswerden wollen anstatt sie weiter zu erhöhen. Das verschafft eine Pause, was die Eröffnung neuer Uranminen angeht.
Allerdings schläft die Atomindustrie nicht, sie ist gut organisiert und sie weiß, dass es ernsthaft um ihr langfristiges Überleben geht. Dabei geht es hintergründig immer auch um die militärische Nutzung von Atomspaltung und Uran – nicht zufällig sind im UNECE alle (offiziellen) Atomkraftstaaten vertreten, und in NICE Future drei davon. Wachsamkeit ist gefragt.