Aus CONTRASTE Nr. 305 (Februar 2010, Seite 4)
Weidende Schafe und Ziegen unter Korkeichen und unter silbrig in der Sonne
glänzenden Olivenhainen; Gärten voller Orangen- und Mandarinenbäume; sanft
gurgelnde, klare Bäche; duftende Rauchwürste, Schinken und der berühmte
Käse von Nisa: Die Landschaft rund um das mittelalterliche Städtchen
gleichen Namens in Portugal ist reich an Tradition und gutem Geschmack. Und
das wollen die Menschen von Nisa im Norden des Alentejo für keinen Preis
aufgeben, schon gar nicht für den Uranbergbau.
Von Norbert Suchanek # Portugal ist eines der Länder mit der längsten
Uranausbeutungsgeschichte. Bereits vor genau 100 Jahren, 1909, wurde hier
die erste Lizenz für den Abbau des gelben, radioaktiven Schwermetalls
vergeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging portugiesisches Uranoxid sowohl
an die britische als auch an die US-amerikanische Nuklearindustrie und die
Atombombenentwickler. Bis 1991 wurden 62 Minen, die meisten in
Zentralportugal, ausgebeutet. Seitdem stockte der Uranbergbau vornehmlich
aufgrund des eingebrochenen Weltmarktpreises.
Doch mit dem Ansteigen der Nachfrage nach neuem Kernbrennstoff und dem
Anziehen der Preise hängt seit 1998 das Damoklesschwert des radioaktiven
Bergbaus über den rund 3.600 Einwohnern von Nisa. Denn in nur rund zwei
Kilometern Entfernung von den Stadtgrenzen liegen die 1959 entdeckten
größten noch nicht gehobenen Uranvorkommen Portugals. 60 Prozent des
gesamten Uranerzes des Alto Alentejo liegen hier, über sechs Millionen
Tonnen, woraus sich etwa 650 Tonnen Uranoxid gewinnen lassen. Die
Verdreifachung des Weltmarktpreises von Uranoxid (U308) zwischen 2000 und
2003 auf rund 66 Euro pro Kilogramm lockte schließlich internationale
Konzerne auf den Plan. Nisas Uranvorkommen bekamen einen Wert von mehr als
43 Millionen Euro, bei geschätzten Gesamtinvestitionen von nur fünf
Millionen Euro. Eine lohnende Rendite! »Iberian Resources«, die Gruppe »Rio
Narcea« sowie zwei weitere Minenbetreiber stehen seitdem Schlange um eine
Explorationslizenz. Doch noch bevor die portugiesische Regierung entschied,
reagierten die Bürger von Nisa. Zusammen mit Vertretern der lokalen
Wirtschaft gründeten sie die Anti-Uranberg-Baubewegung »MUNN« (Movimento
Urânio em Nisa Nao).
2008 sprachen sich schließlich auch Stadtrat und Gemeindeversammlung klar
gegen die Ausbeutung des Uranerzes im Landkreis aus. Stadt und Gemeinde
würden sich jeglichen Uranbergbauplänen von Regierung und Nuklearindustrie
entgegenstellen. Nisas lokale Wirtschaft basiere auf seiner historisch
reichhaltigen Kulturlandschaft und auf der nachhaltigen Nutzung der
natürlichen Ressourcen wie dem berühmten Schaf- und Ziegenmilch-Käse von
Nisa und den Thermalquellen. »Radioaktiver Uranbergbau jedoch lässt sich
kaum mit einer qualitätsvollen, zertifizierten Nahrungsmittelproduktion und
Gesundheits- und Kulturtourismus vereinbaren«, erklärt Nisas
Stadtratspräsidentin Gabriela Tsukamoto.
Allein das neue in diesem Jahr eröffnete Thermalzentrum Nisas garantiere
rund 100 dauerhafte, gesunde Arbeitsplätze. Die Uranmine würde hingegen
lediglich 70 Jobs schaffen, und das auch nur für eine Dauer von vielleicht
sechs bis maximal zehn Jahren. Der Uranbergbau habe aber nicht nur lokal
negative Folgen, warnt Gabriela Tsukamoto. Durch den Tagebau entstehe
radioaktiver Staub, den die Winde über die Landkreisgrenzen hinweg trügen.
Und verseuchte Abwässer könnten den Fluss Tejo belasten, den Namenspatron
der geschichtsträchtigen Region Alentejo. »Nisas Uranmine wäre ein Projekt
mit einer geschätzten Lebensdauer von sechs bis acht Jahren, das aber über
Jahrzehnte gravierende Konsequenzen nach sich zieht«, so António Eloy,
Nuklearexperte der portugiesischen Anti-Atom-Bewegung »Movimento Nao a
Opçao Nuclear«.
Ob im Tagebau oder untertage: jegliche Uranausbeutung habe Umweltschäden
zur Folge, so die Lissabonner Umweltingenieurin Cláudia Derboven Sequeira.
Laut Internationaler Atomenergieagentur »IAEA« seien die Abwässer und
Abraumhalden der Uranproduktion besonders besorgniserregend, weil sie einen
Großteil der Radioaktivität des Erzes beinhalteten sowie eine große Anzahl
von Schwermetallen und anderen toxischen Stoffen. Bereits heute hat
Portugal mit seinem nuklearen Erbe zu kämpfen. Die von den alten Uranminen
verursachten Umweltschäden sind noch nicht annähernd beseitigt. Während der
vergangenen rund 100 Jahre hatte Portugal 4.000 Tonnen Uran mehrheitlich im
Tagebau gewonnen und dabei 7,8 Millionen Kubikmeter Abraum produziert. Die
Altlasten – mit Uran, Radium und ihren Zerfallsprodukten kontaminierte
Abraumhalden, radioaktive Tagebaugruben und Schächte, Abwasserbecken und
Schlämme – bedrohten Wasserressourcen und die öffentliche Gesundheit,
erklärt Cláudia Derboven Sequeira.
Bis heute streiten die ehemaligen Arbeiter der 1991 stillgelegten größten
Uranmine Portugals in Urgeiriça bei Viseu um angemessene Entschädigung für
die gesundheitlichen Folgen. Vor allem in den ersten Jahrzehnten des
Uranbergbaus waren die Arbeitsbedingungen skandalös. 115 der einst etwa 500
Bergarbeiter seien bereits an Krebs gestorben, so António Minhoto, der
selbst in Urgeiriça Uranarbeiter war und heute die Umweltschutzgruppe
»Associaçao Ambiente em Zonas Uraníferas« (AZU) leitet.
Doch nicht nur die Zentralregion Portugals ist von alten Uranminen und
möglichen neuen Projekten betroffen. Auch die spanische Nachbarregion des
Alentejo, die Extremadura, hat ausbeutbare Vorkommen. 2002 hatte Spanien
zwar seinen Uranbergbau offiziell eingestellt, doch Ende 2008 bekamen das
kanadische Unternehmen »Mawson Resources« sowie »Berkeley Resources« aus
Australien die Lizenz zur Uranexploration in der Extremadura bei Cáceres
und Salamanca.
Vergangenen September trafen sich deshalb Ex-Minenarbeiter,
Nuklearexperten und Umweltschützer aus Portugal und Spanien in Mangualde
bei Viseu zur ersten grenzüberschreitenden Konferenz der von Uranvorkommen
betroffenen Regionen auf der iberischen Halbinsel. Die erste »Conferência
Ibérica das Zonas Uraníferas« endete mit einer Menschenkette vor der
ehemaligen Mine Cunha Baixa im Landkreis Mangualde als ein abschließender
Protest gegen jegliche neue Uranprojekte auf der iberischen Halbinsel.
Mit dabei war auch die Anti-Uran-Bewegung von Nisa, »MUNN«, die nicht müde
wird, für eine nachhaltige, nicht-radioaktive Entwicklung ihrer Region zu
kämpfen. Denn obwohl Stadträte und führende Lokalpolitiker sich bereits
deutlich dagegen ausgesprochen haben, ist die Ausbeutung der Uranvorkommen
Nisas noch nicht vom Tisch. Die Entscheidung über die Nutzung der
radioaktiven Bodenschätze liegt bei der Regierung in Lissabon, und diese
hält sich bislang noch alle Optionen offen. Deshalb sei es wichtig, so Nuno
Sequeira von der Naturschutzorganisation Quercus, »immer wieder an die
Fehler zu erinnern, die bei der vergangenen Uranausbeutung im Zentrum
Portugals begangen wurden, an die von Krankheit gezeichneten Familien der
Minenarbeiter, an die Umweltschäden und an die gravierenden Folgen, die der
Bergbau für Nisa und die Region bringen würde.«
Aus: grünes blatt 3/2009
www.gruenes-blatt.de/index.php/Kategorie:Uran
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