In der Fairtrade-Szene kursiert ein afrikanisches Sprichwort: „Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“ Eine schöne Botschaft, die allen Mut macht, die angesichts der täglichen Katastrophenmeldungen aus aller Welt das Gefühl haben, bei sich vor der Haustür sowieso nichts ändern zu können.
Natürlich gibt es auch die ganz Orthodoxen, die sich zum Beispiel weigern, Fairtrade-Artikel beim Discounter zu kaufen, weil sie auch ein Zeichen gegen die dort herrschenden Arbeitsbedingungen setzen wollen. Bewundernswert, wer einen so konsequenten Lebenswandel tatsächlich durchhält, ohne an den Rand der Gesellschaft zu geraten.
Es gibt allerdings auch Momente, da fällt auf alle noch so gut gemeinten Schritte ein Schatten. In dieser Woche hatte ich zwei berufliche Termine, die für mich zu solchen Momenten wurden. Da war zum einen der Besuch von Almoustapha Alhacen. Der Mann aus dem Niger war auf Einladung deutscher Atomkraftgegner in Gronau. Er prangert den Uranabbau in seiner Heimat an. Seine Schilderungen haben mich beeindruckt, anschließende Recherchen diesen Eindruck bestätigt. Ich glaube ihm, dass die Industrie dort die Natur und die Menschen gleichermaßen ausbeutet. Und auch Zeitgenossen, die Berichte von Atomkraftgegnern als Propaganda vom Tisch wischen, können den krassen Gegensatz zwischen Armut und Reichtum nicht wegdiskutieren: Firmen, die mit Uran zu tun haben – wie die Urenco in Gronau – verdienen damit nicht schlecht. Dass die Urenco der mit Abstand größte Gewerbesteuerzahler in Gronau ist, unterstreicht diese Einschätzung. Der Niger aber, wo in großem Stil Uran abgebaut wird, ist eines der ärmsten Länder der Welt. Entsprechendes Erstaunen drückte die Mine von Almoustapha Alhacen aus, als er davon hörte, dass Gronau als „Fairtrade“-Stadt firmiert. Aus seiner Perspektive eine mehr als verständliche Reaktion. Sein Fazit: „Fairtrade-Uran gibt es jedenfalls nicht.“
Am gleichen Tag hatte ich noch einen Termin in der Kita „Zum Regenbogenland“, die als „faire Kita“ ausgezeichnet wurde. Das Wissen darum, dass in der DRK-Kita Sponsorengelder von der Urenco stets willkommen sind, machte mich sehr nachdenklich . . . Hätte ich nicht einige Stunden zuvor Almoustapha Alhacen kennengelernt, wäre es mir wahrscheinlich viel toller vorgekommen, was die Kinder im „Regenbogenland“ lernen. Zum Beispiel, woher ihr Kakao kommt, und dass es Kindern, die auf Kakaoplantagen arbeiten müssen, nicht so gut geht wie den „Regenbogenkindern“. Aber, dachte ich, woher das Uran kommt, mit dem die Kita-Sponsoren ihr Geld verdienen, das erfahren die Kinder hier wohl nicht . . .
Noch ein zweiter Wirtschaftssektor, der für Gronau und Epe von großer (wenn auch nur noch historischer) Bedeutung ist, geriet diese Woche im Zusammenhang mit zweifelhaften Produktionsbedingungen in die Schlagzeilen: die Textilindustrie. In den Artikeln einer Billig-Modekette fanden sich eingenähte Hilferufe. Und auch hier gilt: Selbst wenn diese Zettel nicht von ausgebeuteten Näherinnen kamen, dass vor gut einem Jahr über 1100 Menschen beim Einsturz einer maroden Textilfabrik in Bangladesch starben, ist eine Tatsache.
Was folgt daraus für uns, die wir in Gronau leben oder arbeiten? Nach meinem Dafürhalten zweierlei: Erstens sollte sich jeder, der sich glaubhaft für den Fairtrade-Gedanken engagieren möchte, gut überlegen, ob es zu diesem Engagement passt, Gelder von der Urenco anzunehmen. Zweitens wäre es sehr wünschenswert, wenn es in Gronau auch Fairtrade-Textilien zu kaufen gäbe. Ich finde es immer noch prima, dass Gronau „Fairtrade“-Stadt ist, aber es gibt auch noch viel zu tun . . .
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