Mongolei: Polizeieinsatz für Umweltzerstörung durch Bergbau

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In der Nacht zum 24. Februar 2015 ging die mongolische Polizei gewaltsam gegen neun Hunger-streikende vor. Drei wurden (offenbar als mutmaßliche „Rädelsführer“) festgenommen, die anderen sechs gegen ihren Willen in ein Krankenhaus gebracht.

Die Neun hatten seit zwölf Tagen vor dem Nationalmuseum in Ulaanbaatar im Freien einen Hungerstreik durchgeführt. Bis zum zum 22. Februar hatten sie unter Filzdecken im Freien bei Temperaturen bis minus 30 Grad verbracht, dann wurde von Ihnen und Unterstützern eine Jurte aufgebaut. Für den 24. Februar hatten die Streikenden angekündigt, nun in den „trockenen Hungerstreik“ einzutreten, d.h. auch keine Flüssigkeit mehr zu sich zu nehmen. Bis dahin hatten sein noch Wasser mit Honig zu sich genommen.

Anlass des Hungerstreiks war die Revision des als „Gesetz mit dem langen Namen“ (GLN) bekannte Umweltschutzgesetzes und die Genehmigung zur Eröffnung einer Goldmine in Gatsuurt am Fluss Kharaa durch die kanadische Gesellschaft Centerra Gold. Träger des Hungerstreiks waren Viehzüchter aus Gatsuurt (unter anderem eine sehr alte Frau) sowie Vertreter der militanten Bewegung „Aufrechte Blaue Mongolen“.

Gatsuurt – geschichtsträchtiger Boden

Eine besondere Schärfe bekam die Auseinandersetzung auch deshalb, weil die Mine in Gatsuurt auf dem Noyon Uul (Fürstenberg) genehmigt wurde, eben jenem  Ort, an dem 1928 die wichtigste Fundstätte des ersten nachgewiesenen Staates auf mongolischem Boden entdeckt wurde. Diese Xiung Nu genannten Stämme waren der Anlass für den Bau der ersten chinesischen Mauer; ob sie die direkten Vorfahren der in Europa als Hunnen bekannten Völker des vierten und fünften Jahrhunderts gewesen sind, ist wissenschaftlich umstritten. Die Genehmigung der Mine in Gatsuurt wäre in der ersten Welt vergleichbar mit der Eröffnung eines Tagebaus in Frankreich bei Alesia, der Zerstörung der Fundstelle der „Schöninger Speere“ in Niedersachsen, der Sprengung von Mount Rushmore in den USA, oder dem Abriss des Kölner Doms zugunsten eines neuen Bahnhofs.

In den Tagen des Hungerstreiks konnte sehr viele Unterschriften zur Unterstützung gesammelt werden. Die letzte bekannt Zahl liegt bei 70.000 (was einem Umfang von knapp 2 Millionen Unterschriften in Deutschland entsprechen würde). Mit den Zielen der Aktion, wenn auch nicht direkt mit dem Hungerstreik, einverstanden waren auch verschiedene andere Umweltgruppen, darunter auch viele städtische Gruppen.

Die Eröffnung der Goldmine in Gatsuurt ist seit Jahren umkämpft. Sie liegt eindeutig in dem Schutzgebiet des GLN. Schon in den bisherigen illegalen Erschließungsmaßnahmen waren 75 Hektar Wald zerstört worden; hinzu kommen Zerstörungen von Weideflächen, Fließgewässern etc. Um diese Mine genehmigen zu können, hat die gerade erst ins Amt gekommene mongolische Regierung zuerst versucht, diese Mine als „strategisch“ auszuweisen. Mit dieser Maßnahme hätte sie das Gesetz umgehen können. Eine „strategische Ressource“ bedeutet aber auch, dass sie sich hätte finanziell mit mindestens 30% engagieren müssen – ein Kraftakt, den der mongolische Staat infolge seiner drohenden Staatspleite nicht mehr stemmen kann. Der Antrag der Regierung, sich mit weniger zu engagieren, wurde vom Parlament noch am 17. Februar abgelehnt. Darauf genehmigte die Regierung die Eröffnung der Mine gegen die weltweit einmalig geringen Abbaugebühren, die die Mongolei zu einem Eldorado für die internationalen Bergbaukonzerne machen.

Änderung des GLN

Einen Tag später, am 18. Februar und mitten in den Vorbereitungen des zweitwichtigsten Feiertags, dem mongolischen Neujahrsfest mit anschließenden Parlamentsferien, folgte dann der zweite Schlag, die Revision des GLN. In dieser Revision wurde die bisher geltende Schutzzone von 500 Metern rechts und links der Fließgewässer auch 100 Meter reduziert (hier darf kein Begrbau betreiben werden). Zudem wurde der Ausweis der Schutzzonen in den Quellgebieten von Flüssen und dem Wald den lokalen Behörden weggenommen und an eine zentrale Behörde am Bergbauministerium übergeben. Diese wird dann über weitere Ausnahmegenehmigungen entscheiden, wie erste Karten im Tal des Tuul-Flusses schon zeigen.

Mit dieser Gesetzesnovellierung versucht die mongolische Regierung, die Mongolei nach zögerlichen „Reformen“ um 2008 erneut zu einem Land zu machen, in dem internationale Bergbaukonzerne ohne jede Auflagen und zu geringsten Preisen die Bodenschätze dieses Landes ausbeuten dürfen. Die Mongolei gehört zu den zehn rohstoffreichsten Ländern mit dem Nachteil langer Transportwege. Nach der Wende 1990 wurde Mitte der 90er Jahre ein Bergbaugesetz verabschiedet, das den Konzernen lediglich geringste Gebühren für Exploration und Förderung von Bodenschätzen in Rechnnug stellte, ohne dass die Mongolei in irgendeiner Weise an den erzielten Erlösen beteiligt gewesen wäre. Die Folgen waren katastrophal: Ein Beschäftigungsimpuls war nicht zu sehen, da die Mehrheit der Ingenieure und Fachleute aus dem Ausland kam und für Mongolen merhheitlich allenfalls Hilfsarbeiten anfielen. Für die Nomaden, die auf dem freien und durch die Verfassung geschützten  Weideland ihr Vieh weideten, war der Bergbau eine unmittelbare Bedrohung ihrer Existenz. Flüsse versiegten, das Wasser wurde vergiftet, die LKW walzten die Vegetation kaputt. Viele von ihnen gaben auf, vergrößerten die Slums in der Hauptstadt oder suchten ihr Heil im Kleinbergbau.

In den  Jahren 2005 – 2008 nahmen die Auseinandersetzungen um die ungezügelte  Zerstörung des mongolischen Landes einen militanten Charakter an. Es gab mehrere Tote. Organisationen der Nomaden erreichten die Verabschiedung eines Gesetzes, das etwa 35% der mongolischen Fläche unter Schutz stellt, indem es Bergbau an Fließgewässern, in Wäldern und den Quellgebieten der Flüsse untersagt. Dieses Gesetz war von Anfang an ein Dorn im Auge der Bergbaulobby. Mehrere Regierungen zögerten immer wieder die konkrete Umsetzung des Gesetzes hinaus, die „internationalen Investoren“ drohten mit Abzug ihrer Investitionen, die um ihre Existenz kämpfenden Nomaden wurden als „konservativ“ und „fortschrittsfeindlich“ verunglimpft. Im Herbst 2013 konnte der vorletzte Versuch, das GLN zu revidieren, durch eine spektakuläre Aktion vor dem Parlament verhindert werden. Die Rache der herrschenden Klasse war dementsprechend: Fünf Aktivisten gingen unter dem Vorwurf der „terroristischen Vereinigung“ ins Gefängnis. Die ursprüngliche Strafe von 21 Jahren und sechs Monaten wurde später im Durchschnitt auf sechs Jahre verkürzt.

Mit der Räumungsaktion vom 24. Februar 2015 demonstriert die aktuelle mongolische Regierung ihre absolute Bereitschaft, jeden Widerstand der betroffenen Bevölkerung gegen die Interessen der Bergbaukonzerne zu brechen.

von Eike Seidel, 24.2.2015

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